Am Ende der Gewissheiten - zu einer Ethik des Nichtwissens

Samstag, 28. Oktober 2023, 10 Uhr
Marienschule Euskirchen

Vorträge jeweils 30–40 Min., Pause mit finger food,
abschließend Podiumsdikussion

Die 26. Euskirchener Gespräche sind eine offene Veranstaltung der Ärztekammer Nordrhein mit der Möglichkeit der Präsenz- und Online-Teilnahme

Verunsichert durch die vor Jahren nicht vorstellbare Virus-Pandemie, einen nicht mehr für möglich gehaltenen Krieg um Territorien in Europa, die gefühlte Ohnmacht gegenüber Faktenleugnern und Verschwörungstheoretikern und die Hilflosigkeit gegenüber dem Klimawandel, der zunehmend die Voraussetzungen humanen Lebens gefährdet, stellen sich Fragen nach der Zukunft der Moderne als Epoche der Vernunft im Licht der Aufklärung, der Naturwissenschaften und technischer Naturbeherrschung.
Naturwissenschaftliche Forschung begründet eine Verbesserung von Lebensqualität und Lebenserwartung, die prämodern unvorstellbar erschien, und einen technischen Fortschritt, der Entlastung von Arbeit, creative Freizeitgestaltung und kulturelle Teilhabe für die meisten Menschen ermöglicht.
Doch je weiter der wissenschaftliche Kenntnisstand entwickelt ist, desto bewusster wird auch das Wissen über das Nichtwissen. Entsprechend geht technischer Fortschritt mit zunehmender Unübersichtlichkeit und Komplexität einher, mit Nebenwirkungen und Kontrollverlust.
Je umfassender das Wissen über Ursachen und Folgen des Klimawandels ist, desto unwissender scheint die Menschheit, diesem zu begegnen.
Erstmals in der Geschichte der Erde ist der Mensch der Moderne für nachhaltige Veränderungen der Natur mit unabsehbaren Folgen verantwortlich. Das Wort des Jahres von der „Zeitenwende“ erscheint bedeutungsschwerer als im nur tagespolitischen Kontext.
Statt sich nun irrationalen, vermeintlich Orientierung gebenden Mythen und Verschwörungstheorien zu überantworten oder im postmodernen Transhumanismus die Überwindung menschlicher Übel zu erwarten, tut eine neue Aufklärung über den Menschen not.

Diese entwirft im ersten Vortrag Herr Professor Markus Gabriel, Bonn, in dem er vom Menschen als Natur und zugleich in der Natur ausgehend die Beschränktheit menschlichen Wissens erklärt und aus dem Nichtwissen eine neue Ethik formuliert.

Die technische Beherrschung des Menschen und seiner Umwelt mit Hilfe künstlicher Intelligenz skizziert Herr Professor Dominik Michels, Darmstadt, und erläutert dabei eine Entwicklung bis zur Hyperkomplexität der KI, von der wir nichts mehr wissen werden.

Die (Nicht –)Vorhersagbarkeit psychischer Entwicklung in der Persönlichkeitsentwicklung und Möglichkeiten der Prävention beschreibt Herr Professor Joseph Kambeitz, Köln.

Frau Professor Eva Horn, Wien, schildert Narrative als Kompensationsversuche des Orientierungsverlustes und erläutert die Herausforderungen an Wissenschaft, Politik und individuelle Lebensführung, die sich angesichts der Diagnose des Anthropozäns stellen. Was kann angesichts dieser multiplen Krisen die Rolle von Wissenschaft in der Politik sein? Welche Haltungen speisen die aktuelle Wissenschaftsskepsis und die rasante Verbreitung von „alternativen Fakten“? Welche Rolle spielt dabei die allgegenwärtige Weltuntergangsrhetorik?